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Posts Tagged ‘Lake Distrct’

Nicht, dass es hier gleich zu Verwirrungen kommt: Ich werde nach dem letzten Monster-Eintrag nun nicht zum regelmäßigen Blogger. Ich bin ja nicht ganz und gar irre.

Ich möchte nur gerne schon einmal zwei Erfahrungsklumpen in großer Runde verarbeiten (und ich drücke mich vor 40 Seiten Marketing Strategy).

Erfahrungseinheit No.1: Team Building bildet nicht immer Teams, macht dafür aber mutig für die Zukunft und No. 2: Wieso ich ganz, ganz, ganz schlecht auf Nazi und Holocaust Witze klar komme, deswegen sicherlich noch mal jemanden verprügel und dann die Rate von Straftaten begangen von Ausländern in die Höhe treiben werde.

No.1: Gebt mir einen See, ein Boot, ein bisschen Schlamm und ich baue euch ein Team

Waren wir also mit einer kleinen Kohorte Marketing-Studenten im Lake District. Und weil ich mich nie vorher erkundige, wo ich mich nach der Ankunft geografisch befinde, war ich ziemlich erstaunt, dass wir an Manchester vorbei gefahren sind. So hoch im Nord/Westen?! Wow… Über vier Stunden durch englische Landschaft und den Rest der Strecke vorbei an Schafen, grünen Wiesen und das, was sie hier „Berge“ nennen. Der Lake District ist herrlich (soweit ich sehen konnte)! Könnte mir wirklich vorstellen, dass ich da mit meinen neuen Wanderschuhen noch mal Gras niedertrampeln möchte. Wir hatten eine nette Jugendherrbergshütte am Ende der Zivilisation mit Pub-Anschluss in ca. 30 minütiger Entfernung. Ich bin noch immer so baff, dass ich (gerade ich) als absoluter Outdoor-Muffel Gefallen an all dem gefunden habe, was wir da gemacht haben. Und das war matschig und mutiger, als ich von meinen Schreibtisch aus je sein kann.

Erster Tag Probleme lösen mit Team Spirit. Viiiiel Körperkontakt, was der asiatische Teil meines Teams wohl nur begrenzt scharf fand, und viiiel „clean dirty“, wie unser Instructor es nannte. Am nächsten Tag haben wir nach einem Orientierungslauf unser eigenen Floß gebaut und es tatsächlich als einzige der drei Gruppen am Start bis zum Ziel (über Wasser) geschafft.

Danach war ich doch tatsächlich vom Hochseilgarten begeistert und bin am letzten Tag auf dem See Kanu gefahren. Rattenscharf! Bin doch notorisch verängstigt, wenn ich aufs oder ins Wasser muss, ohne vernünftiges (Stahl-)Boot unter mir. Aber das war diesmal so beeindruckend, da war ich wirklich vollkommen verzückt! Ganz ruhiges Wasser, grüne Hügel rund herum, der Herbst hat sich in voller Farbenfreude an der Landschaft verkünzelt und dann die wässrige Oktober-Sonne im Gesicht und das Paddel in der Hand…. Gut, ich bin einmal rein gefallen und war panisch überzeugt, dass ich gleich von einem Seemonster aufgefressen werde. Aber davon abgesehen war alles einfach nur herrlich!

Dass ich sowas mal über eine Wildnis-Aktivität sagen würde!?! Unglaublich.

Bezüglich Team: Ja, war schon sehr cool einmal zu sehen, wie man zusammen „arbeitet“, wenn man sich kaum kennt und teilweise auch kaum verständigen kann. Vor allem dann, wenn man bei vielen Sachen einfach auf andere vertrauen muss (Kanu-Aktion, Hochseil und balancieren über Matsch). Egal wie viel Interaktion der Kulturen auch bei den Aktivitäten stattgefunden hat, sobald das vorbei und Zeit fürs Abendessen und Freizeit war, ist gleich wieder ein Ost/West Gefälle aufgetreten – Asiaten in einer Sitzecke, „Westler“ in der anderen. Und hier diskriminiere ich mich fast schon selbst.

Ich habe das Kompliment bekommen, dass mein Englisch so gut sei, dass man von Zeit zu Zeit vergessen könne, dass ich kein Brite bin. Das finde ich nett und es zögert auch Situationen wie weiter unten beschrieben gerne mal ein wenig heraus. Ich haue aus Gründen der Gerechtigkeit dann doch mal ein „would“ in den falschen Teil der „if-Konstruktion“ und dann sind die Grenzen wieder klar. Im Großen und Ganzen: Ich bin bislang doch sehr geduldet in Mitten der Engländer. Was mich dann aber auch ohne weitere Übergänge zu Punkt zwei bringt:

No.2: Ich bin Deutsche und – nein – ich höre definitiv NICHT Ramstein, verdammt noch mal!

Ja, zugegeben: Es ist nicht ganz so dramatisch, aber es ist schon ab und an bedenklich grenzwertig.

Jüngstes Erlebnis war eine Bar-Unterhaltung, in der mein Gesprächspartner sich noch nicht mal von der Tatsache, dass er drei Jahre jünger ist als ich, hat abschrecken lassen – als er dann aber weltgewand feststellte, dass mein Name irgendwie ausländisch ist und ich aufklärend kommentierte, ja, ich bin aus Deutschland, da war aber Holland in Not! Betretenes Schweigen (mag daran liegen, dass wir auf einer Halloween-Fete waren, er als „Terrorist-Bomb-Boy“ verkleidet war und neben zahlreichen dämlichen Sprüchen auch ein Hakenkreuz auf dem Shirt hatte. Da war er peinlich berührt… und es mag daran liegen, dass man nicht unbedingt großen Kontakt zu einem Ausländer aufbauen will, der aller Voraussicht nach das Land bald eh wieder verlässt und auch ein anderes Mindset hat als man selbst) und der Abgang ging dann relativ schnell. Eine tote Nummer im Nummernregister meines Telefonbuchs.

Aber davon mal ganz abgesehen: Ich erlebe hier gerade nicht nur, wie es ist Ausländer zu sein, sondern wie es sich als Deutsche im englischen Ausland fern ab vom kosmopoliten London und behüteten Ferienorten anfühlt. Es ist ja nicht so, dass mich Erlebnisse verbunden mit meiner Nationalität um jede Ecke begleiten, aber ab und an tauchen sie auf. Und es ist dann ganz besonders spannend mich dabei zu beobachten.

Ein – glaube ich – sehr gern auftretendes Missverständnis: Von Nazi-Witzen fühle ich mich nicht persönlich angegriffen. Ich bin einfach nur geschockt, was sich in diesem spezifischen Fall dann in latenter Aggression ausdrückt. Schlecht, wenn man ein Statement machen möchte.

Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich es einfach nicht gewohnt bin, dass ein Tabu, mit dem ich aufgewachsen bin, so scham- und gedankenlos gebrochen wird. Ich weiß schlicht nicht, wie ich darauf reagieren soll. Ein Hakenkreuz auf dem Shirt, weil man sich als Terrorist verkleidet?! Mach das mal in München im Glockenbach und dann schau, wie schnell Du laufen kannst. Es ist einfach schlicht nicht witzig und in jeder Form geschmacklos. Und niemals angebracht. Soweit mein Wissens- und moralischer Erkenntnisstand. Da haben wir ihn dann in voller Blüte: Den clash of cultures. Klar, wie sollen die Leute, die mir beim Anblick von Vieh-Transporten Holocaust-„Witze“ drücken auch verstehen, was bei mir darauf abgeht?! Ich muss es schon erklären, dass ich bislang derartiges lediglich von Nazis und absoluten Schwachmaten gehört habe. In diesen Kategorien denke und ordne ich normalerweise ein – und das betreibe ich unterbewusst natürlich auch jetzt und hier. Jetzt lese ich es gerade alles noch mal und möchte nur betonen: Ich möchte nicht sagen, dass ich mich diskriminiert oder gar gehasst fühle, weil ich Deutsche bin. Ich möchte auch nicht verallgemeinern. Ich spreche hier wirklich von Einzelfällen, die mir hier und da begegnen. Kulturelle Unterschiede und Verständigungsschwierigkeiten mit sehr bitterem Beigeschmack auf meiner Seite.

Es ist schlicht so erstaunlich zu beobachten, dass hier meine kulturellen Tabus gebrochen werden, ohne dass ich den leisesten Schimmer habe, wie ich darauf zu reagieren habe. Aber es ist wie es ist: ich kann nichts gegen meine Natur. Witze über das dritte Reich sind für mich nicht verdaulich. Sie greifen nicht mich im persönlichen an, sondern setzten einen Gedankenprozess frei, der für mein Gegenüber alles andere als gesund ist. Ich kann hier nicht in meinen gewohnten Kategorien denken, aber ich tue es immer noch und immer wieder. Ich liebe die Herausforderung meine Körperspannung im Griff zu behalten, wenn der nächste mit einem dummen Spruch um die Ecke kommt. Ich kann hier so viel mehr über mich und kulturelle Phänomene lernen, als ich je gedacht hätte – außerdem muss ich lernen mich und meine Reaktion zu erklären. Nur so trage ich doch zur Völkerverständigung bei, oder?

Und noch was: Ramstein ist Mist! Sorry! England, ich liebe Dich, aber gib mir hier und da mal eine Pause (Verallgemeinerung musste hier als Stilmittel herhalten. Hilft nix.)

Und zum Schluss aus Bock ein deutsches Lieblingslied:

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